Feature von Holger Siemann für Deutschlandfunk 2010
Als ich vor Jahren den neuen Partner einer alten Freundin bei einem Abendessen kennenlernte, war ich sehr angetan: Jonas sah nicht nur gut aus, sondern war klug und politisch engagiert, ohne verbiestert zu sein. Ein Neuer, bei dem man heimlich zwinkert: Das isser.
Dieser Jonas erzählte im April 2002, dass er auf seiner Mobiltelefon-Rechnung merkwürdige Posten gefunden habe. Zu jeder gewählten Telefonnummer sei eine zweite, immer gleiche Nummer angegeben. Tatsächlich war in den Nachrichten war zu hören, dass mehr als fünfzig Kunden von O2 die gleiche Erfahrung gemacht hatten, ein Polizeisprecher äußerte sich besorgt, weil Kriminelle und Terroristen auf die Warnung hin untertauchen könnten.
Trug das sympathische Wesen eine Maske? Ein Fall von Paranoia?
Anfangs skeptisch, begann ich zu recherchieren und suchte Aufklärung bei Mobilfunkdienstleistern, Abhörspezialisten und Rechtsanwälten, bei den Mitgliedern der Parlamentarischen Kontrollgremien Steffen Zillich und Hans-Christian Ströbele und beim ehemaligen Generalbundesanwalt Kay Nehm. Ich stand lange vergeblich vor den Türen der Geheimdienste. Und je länger ich recherchierte, desto unwohler wurde mir.
„Auch für jemand, der sich jetzt seit zehn, fünfzehn Jahren mit den Geheimdiensten beschäftigt ist das ein ganz ungewöhnlicher Fall. Dass über so lange Zeit mit so wenig Anhaltspunkten dafür, dass konkret wirklich vorliegt gegen den, was verbrochen worden ist, diese Maßnahmen aufrecht erhalten werden – mit einem Riesenaufwand, muss man ja sehen, nicht nur Telekommunikationsüberwachung, sondern Videoüberwachung, acht Kameras überall, seine ganze Umgebung wird ständig ausgeleuchtet, da ist was außer Kontrolle geraten.“ Hans-Christian Ströbele im Interview