Jahreszeiten Frühling

Dass die Jahreszeiten auf dem Land eine größere Rolle spielen als in der Stadt ist eine Binsenwahrheit. Aber erst nach einigen Jahren und etlichen Wiederholungen habe ich begriffen, was das heißt: Das große Rad dreht sich immer wieder und immer weiter, auf Blühen folgt Welken, auf Geburt folgt der Tod – zwar jedes Jahr ein bisschen anders, aber unaufhörlich wieder und wieder, auch wenn wir nicht mehr dabei sind.



Wenn es zum Ende des Winters endlich wärmer wird, verdrehen die Mitsängerinnen im Chor die Augen: Nach dem Frost kommt der Matsch. An den Stiefeln klebt der Mist aus dem Stall, die Erde aus dem Garten und die Pampe vom Waldweg. Aber egal: Die Luft riecht wieder und die ersten Meisen an der Futterstelle vertreiben die Stille der kalten Tage.


Mit großer Vorfreude planen wir die Bepflanzung des Gartens und ziehen Tomaten, Kürbisse und Salatpflanzen vor. Die Bienen werden kontrolliert und – wenn die Wintervorräte sich zu früh dem Ende zuneigen – aufgefüttert. An sonnigen Tagen füllt sich der Belegungskalender der Ferienwohnung. Die Tage werden länger und heller, die Luft nahrhafter, die Farben bunter und der Morgengesang der Vögel vielfältiger. Im Chor singen wir „Wie schön blüht uns der Maien“ und freuen uns, dass es nicht mehr weh tut.

Je nach Wetter beginnt – früher im Mai, heute schon im April – beginnt bei uns die Lammsaison. In den ersten zwei, drei Tagen klingen die Lämmer wie Babygeschrei und ein bisschen fühlt es sich tatsächlich wie Vaterwerden an: Wir haben nicht wirklich wichtige Aufgaben dabei, denn die Schafe kommen ganz gut allein zurecht, aber wir müssen doch bereit sein, im Notfall zu helfen. Dazu hier (demnächst) mehr.

Wenn wir Glück haben, säen Bauer und Jagdpächter Raps und Wildackermischungen, wenn nicht wächst ringsum nur Mais und Getreide, das im schlimmsten Fall auch noch gespritzt wird. Dann ist nach der Apfel- und Kirschblüte gleich wieder Schluss für die Bienen und die Welt eine Wüste.