Jahreszeiten Herbst




Früher empfand ich im Herbst eine Art Kater nach der sommerlichen Reise-Orgie, ein trauriges Zurückkriechen in die dunkler werdende Hinterhaus-Bude, ein Scheitern. Heute ist der Herbst meine liebste Jahreszeit. Liegt vielleicht am Alter. Also an meinem. Oder auch dem des Jahres: Das Jahr und ich, wir sind beide nicht mehr jung.
Die Sonne steht schräg, Bäume werfen lange Schatten. Viele Freunde kommen aus der Stadt „noch ein letztes Mal für dieses Jahr“.

Herbst ist die Zeit des Aufräumens, der Apfelernte und des Schlachtens, des Abschieds. Wie jedes Jahr diskutieren wir Anfang November ob wir Hühner, Enten und Gänse über den Winter zu bringen versuchen. Sie haben nur eine Fifty-Fifty-Chance nicht vom Fuchs oder Waschbär getötet zu werden. Die Farben werden dichter, die Laubbäume bunter, alles riecht wie konzentriert und atmet Sterben. Der Duft nach frischem Heu ist ja eigentlich der Geruch getöteten Grases.

Es wird still im Wald, die Blätter der Bäume rascheln nicht mehr im Wind, die Vögel sind fortgezogen oder verstummt. Manche bleiben neuerdings aber auch hier, die Kraniche beispielsweise. Sie sparen sich den Vogelzug und halten die Reviere besetzt.
In den letzten Jahren kommt der Frost immer später, in manchem Herbst gar nicht. Es ist schon merkwürdig, wenn die Apfelbäume im Dezember wieder zu blühen beginnen, beunruhigend und schön zugleich. Für die Bienen und vermutlich alle Insekten bedeutet das Stress, denn ihr Kreislauf bleibt auf Touren und der Energieverbrauch hoch. Nach warmen Wintern gibt es weniger Mücken und weniger Schwalben.